Redebeitrag zum Kampftag der Arbeitslosen am 2. Mai 2021.

Hallo ich bin … vom Stammtisch gegen das Patriarchat der Berliner Obdachlosen Hilfe. Freu mich hier zu sein mit euch, am Tag der Arbeitslosen!

Die Berliner Obdachlosenhilfe besteht aus mehr als 100 ehrenamtlichen Helfer*innen. Seit 2013 machen wir viermal in der Woche Hilfstouren in Berlin, um Wohnungslose oder Menschen in prekären Situation mit Essen, Kleidung, Schlafsäcken und Hygieneartikeln zu versorgen.

Mit unserem Stammtisch gegen das Patriarchat wollen wir innerhalb der BOH einen Schutzraum für alle bieten, die durch das Patriarchat unterdrückt werden. Wir setzen uns für einen diskriminierungs- und herrschaftsfreien Raum ein.

Heute wollen wir nicht über andere sprechen. Wir wollen über unsere Arbeit sprechen. Und erstmal klar betonen: unsere Arbeit ist politisch. Wir wollen mehr als nur Grundversorgung leisten. Es kotzt uns an zu wissen, dass wir durch unseren Einsatz die Lücken des Staates auffüllen und ihm dadurch einen Gefallen tun. Aber nur diese neoliberale Regierung kann das ertragen, Menschen den Kopf unter Wasser zu halten. Unser Engagement bedeutet auch: Leerstand zu Wohnraum, kostenlosen Nahverkehr, Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Wir versuchen jeden Tag einen Austauschraum zu gestalten, der Menschen empowert und zum Widerstand aufrufen kann.

Unsere Arbeit ist politisch. Sie ist aber auch ehrenamtlich. Freiwillig halt. Das bedeutet, dass wir es mit Liebe machen. Das bedeutet, dass wir kommen und gehen können, wann wir wollen. Dass wir keine Angst vor Kündigung haben. Dass keine Chefs uns zu irgendwas zwingen können. Und es funktioniert! Weil für uns Freiwilligkeit sich mit Selbstorganisation und Vertrauen in der Gruppe reimt.

An alle Leute, die Arbeitslose für faul halten: eure Definition von Arbeit ist absurd und diskriminierend! Wer entscheidet, was als Arbeit gesehen, anerkannt und entlohnt wird? Viele Menschen arbeiten von morgens bis abends und ihr kriegts es nicht mal mit. Sie sammeln Flaschen, verkaufen Zeitungen oder betteln. Sie kümmern sich um Kinder und Angehörige oder engagieren sich in der Nachbarschaft. Soll das etwa keine Arbeit sein? Wer entscheidet, was Arbeit ist und was nicht? Ist Sexarbeit etwa keine Arbeit, nur weil sie nicht legal ist? Habt ihr schon mal daran gedacht, wie problematisch die Ausgangssperre für Sexarbeiter*innen ist?

Nur wer sich in einem gut bezahlten Vollzeitjob abrackert, wird von der Gesellschaft anerkannt. Als Arbeit wird nur das anerkannt, was entlohnt wird und wer keinen Bock hat, sich in Lohnarbeit ausbeuten zu lassen, wird ausgegrenzt. Dabei sind die nicht faul, die keinen Bock haben, sich in miesen Jobs scheiße behandeln zu lassen, nur um übelsteure Miete zu zahlen. Sie wollen nur selbst entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten, anstatt sich den Profitinteressen Anderer zu beugen. Überhaupt was ist mit denen, die nicht verwertbar sind für den Arbeitsmarkt, weil zu alt, zu behindert, nicht angepasst genug? Sie werden unsichtbar gemacht oder sollen gar als Abschreckung dienen, damit sich alle anderen nur noch mehr anstrengen.

Für uns ist Arbeit mehr als nur Lohnarbeit. Unsere Definition von Arbeit basiert auf Freiwilligkeit. Wir wollen nicht aus Not und Überlebenszwang arbeiten, sondern aus freien Stücken! Wir wollen uns für die Dinge engagieren, die uns am Herzen liegen. Und wie man an der BOH sieht – Freiwilligkeit funktioniert!

Wer denkt, dass freiwillige Arbeit bloß eine Beschäftigung für Verlierer ist, hat nix kapiert. Wir versuchen im Gegenteil mit der ganzen Kraft unserer Freude zu vermeiden, uns in die Hölle der 40-Stunden-Woche zu verlieren. Und wie wichtig ist auch das Recht auf Faulheit! Dafür brauchen wir aber stabile solidarische Strukturen, solange es kein bedingungsloses Grundeinkommen und das Recht auf Wohnen für alle gibt!


Freiwillige Arbeit ist politisches Engagement, und dafür brauchen wir Zeit und Platz in unserem Kopf. Die Gesellschaft könnte so viele tolle Sachen schaffen, wenn Menschen nicht gezwungen wären, einen Großteil ihrer Zeit in häufig völlig sinnlose Lohnarbeit zu stecken.
Wir glauben durch den Abbau von Hierarchien und Herrschaft sowie Selbstorganisation eine bessere Welt schaffen zu können. Wir wollen uns selbst reflektieren, Normen und Gewohnheiten in Frage stellen und uns gegenseitig ermutigen. Wir legen Wert auf politische Bildung, Austausch und Vernetzung. Das ist zeitaufwendig und sicherlich nicht immer der einfachste und bequemste Weg, aber wir glauben, dass es sich lohnt.

Wir fordern nichts von den Mächtigen, sondern von einander: lasst uns zusammen diese Zeit nehmen und für uns und andere zur Verfügung zu stellen!

Und zum Schluss haben wir Bock, dieses Wunderlied von der Revolte Springen zusammen zu hören: